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TAG DES GUTEN LEBENS

 
Am 15. September 2013 findet zum ersten Mal der "Tag des guten Lebens: Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit" statt. Im Interview erläutert Davide Brocchi die Idee hinter dem Projekt.

INTERVIEW MIT INITIATOR DAVIDE BROCCHI

Davide, Sie sind der Initiator der Bewegung Agora Köln. Wie ist die Idee entstanden und was beinhaltet Agora Köln?
Die Finanzkrise, das Scheitern der internationalen Klimaverhandlungen in Kopenhagen, aber auch der Einsturz des Stadtarchivs in Köln sind für mich eine Zäsur gewesen. Diese Ereignisse sind das Ergebnis einer Top-down-Strategie in der Entwicklung der Gesellschaft. Zu lange haben sich die BürgerInnen darauf verlassen, dass die Institutionen und die so genannten Experten am besten wissen, was für sie gut sei. Agora Köln versteht sich zuallererst als Labor für Bottom-up Strategien der Stadtentwicklung: Wie kann eine Stadt demokratischer regiert werden, durch eine stärkere Bürgerbeteiligung? Das intermenschliche Vertrauen, das die Gemeinschaft benötigt, kann nicht in den virtuellen sozialen Netzwerken, bei internationalen Konferenzen oder gar im "freien" Wettbewerb entstehen, sondern dort, wo sich die Menschen im Alltag begegnen, das heißt im Lokalen. Deshalb konzentrieren wir uns auf Köln und verstehen die Stadt als Gemeingut. Für Elinor Ostrom ist die Selbstregierung der kleinen Gemeinschaften ein Weg zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Allmende. Deshalb will Agora Köln das nachbarschaftliche Leben fördern, zum Beispiel in dem man an einem Tag pro Jahr (dem Tag des guten Lebens) einen öffentlichen Raum zur freien Verfügung stellt. Wie der Name vermuten lässt, versteht sich Agora Köln auch als neuartige vielfältige Allianz zwischen Umweltbewegung, Zivilgesellschaft, Kultur und regionaler Wirtschaft. Zusammen können wir mehr bewegen: Fast 80 Organisationen, Theater, Kunsthäuser, Unternehmen, Bürgerinitiativen aus Köln setzen sich für eine schrittweise Transformation von Köln in Richtung Nachhaltigkeit ein. Woher soll diese Transformation sonst kommen? Die kommunalen Institutionen sind unbeweglich: Einerseits hängen sie an alten Dogmen fest (Wirtschaftswachstum), andererseits heißt es oft nur "sparen, kürzen und schließen" wegen der hohen Stadtverschuldung. Das reicht wirklich nicht, um den epochalen Herausforderungen dieses Jahrhunderts gerecht zu werden.

Was mögt ihr an Ehrenfeld, dass der erste Tag des guten Lebens / Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit hier stattfindet?
Der Tag des guten Lebens ist ein erstes zentrales Projekt der Agora Köln. An einem Tag pro Jahr soll die Stadt von unten regiert und gestaltet werden: von den zivilgesellschaftlichen Initiativen, den KünstlerInnen und Kreativen, von den Nachbarschaften, den Kindern usw. Der öffentliche Raum dafür soll durch die Sperrung eines möglichst breiten Gebiets für den Autoverkehr entstehen, nämlich auf den autofreien Straßen und Plätzen. Die erste Idee war, das Zentrum der Stadt innerhalb der Ringe an einem Sonntag im September für den Autoverkehr zu sperren. Doch die Bezirksvertretung Innenstadt hat das Konzept abgelehnt, während einige Sympathisanten aus der Politik mir empfohlen haben, nach Ehrenfeld zu gehen: Das Umfeld wäre dort "offener für solche Ideen". Und in der Tat haben wir in dem Bürgermeister Josef Wirges einen wichtigen Unterstützer gefunden. Im Dezember 2012 hat die Bezirksvertretung Ehrenfeld einstimmig beschlossen, den Tag des guten Lebens einzuführen und am 15. September 2013 ein großes Gebiet für den Autoverkehr zu sperren. Zusätzlich ist die Bezirksvertretung selbst unserer Bewegung beigetreten und plädiert damit für einen stärkeren Dialog zwischen Institutionen und Zivilgesellschaft.

Wie vernetzt seid ihr mit anderen Akteuren/Bewegungen in Ehrenfeld?
Wie wichtig ist das?

Zu den fast 80 Organisationen, die zu Agora Köln gehören, sind viele aus Ehrenfeld: ecosign, Design Quartier Ehrenfeld, Allerweltshaus, JACK IN THE BOX e.V., COLABOR… Uns ist aber sehr wichtig, den Kontakt zu den Anwohnern zu pflegen. Sie sollen am 15. September bestimmen, was in ihrer Straße passiert und werden von uns dabei unterstützt. Es gibt einen Arbeitskreis Mobilisierung/Nachbarschaften, die genau diese Aufgabe hat und beginnt Multiplikatoren vor Ort zu kontaktieren. Die BürgerInnen sollen nicht nur durch die Medien erfahren, welche Chancen ihnen dieser Tag bietet, sondern die Face-to-Face Kommunikation ist für das Vertrauen wichtig – und damit müssen wir schon jetzt beginnen.

Wo in Ehrenfeld gibt es nachhaltige Projekte, die euch gefallen?
JACK IN THE BOX hat eine starke soziale Perspektive auf Nachhaltigkeit – und das ist leider selten. Das Design Quartier Ehrenfeld fördert das Urban Gardening, das Allerweltshaus den Dialog der Kulturen. Im COLABOR werden Kompetenzen für die Nachhaltigkeit gebündelt. Und natürlich müssen ecosign und die ökoRAUSCH von Dunja Karabaic erwähnt werden, weil hier Design und Nachhaltigkeit verbunden werden.

Was fehlt euch in Ehrenfeld?
Viele nachhaltige Projekte leiden noch unter einer gewissen Selbstreferentialität, wobei ein bestimmtes Milieu vor allem mit sich selbst kommuniziert. Gerade in Ehrenfeld wird deutlich, wie sehr der Dialog in der Vielfalt eine Herausforderung bleibt, gerade in einem Kontext der sozialen Ungleichheit (z.B. zwischen gebildeten und s.g. bildungsfernen Milieus). Die steigenden Mieten stellen ein großes Problem dar und führen nach und nach zu einer Uniformierung der Bevölkerung nach oben. Ich wünsche mir eine Deökonomisierung der Stadtzentren anstelle einer stärkeren Ökonomisierung der Peripherie.

Habt ihr Lieblingsorte in Ehrenfeld, welche sind das? Welcher Ort verdient eurer Meinung nach mehr Beachtung bzw. eine Verschönerung?
Leider fehlt in Ehrenfeld vor allem eines: Grün. Der Bezirk ist für Kreative interessant, weil es hier noch freie preiswertere Räume gibt. Doch sie könnten verschwinden, wie die angedrohte Schließung des Club Underground zeigt.

Wie sieht die Zukunft von Agora Köln aus?
Ich weiß nicht, wie die Zukunft von Agora Köln aussieht, aber ich bin erstaunt, wie viel sie in so kurzer Zeit erreicht hat. Es spricht nicht für Agora Köln allein, sondern vor allem für eine Sehnsucht nach Veränderung und nach neuen Wegen in der Stadtentwicklung. Dafür werden neue Allianzen gebraucht. Das "unter sich bleiben" reicht nicht aus, um etwas zu ändern.

 

 

 

15.9.2013

Köln-Ehrenfeld

AGORA KÖLN

Alle Informationen rund um den ersten Kölner Tag der Nachhaltigkeit gibt es unter www.agorakoeln.de

 

 

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